Shanzhai Institut – Appropriationstheater


In der Bildenden Kunst der 80er und 90er Jahre hat sich die Kunstform der Appropriation Art entwickelt. Diese besteht aus dem Kopieren anderer Arbeiten, aus der Aneignung, der Infragestellung jeglichen Urhebergedankens und kapitalistischen Copyrights. Wichtige Proponenten dieser Ästhetik sind Elaine Sturtevaint und Richard Prince. Das sogenannte Originalgenie wird in Frage gestellt. Inzwischen ist diese Technik in Form von Remakes im Film, in der Frage der Verwertungsrechte in Musikindustrie (Cover, Mash Up, Samples etc.), und  Internet (Copy & Paste, BitTorrent etc.) virulent. Die Technik des Kopierens, der Aneignung, die sich mit der Philosophie des Shanzhai beschreiben lässt, ist die derzeit zeitgenössischste Form von ökonomischem Widerstand in der Kunst.

Shanzhai ist der chinesische Name für Formen der technisch-ästhetischen Aneignung. Der Glaube an Original und Patent ist widersinnig und der Verzicht ästhetische Formen durch Techniken der Kopie, Nachahmung oder  Reenactment noch einmal hervorzubringen, kommt einem kollektiven Gedächtnisverlust gleich. Ein kurzer Blick in die Kunstgeschichte zeigt, dass diese voll ist von Erfahrungen der Mimesis, der Modulation, der Variation und der Kopie. Aus der Appropriation im Sinne des Shanzhai spricht letzlich immer auch Anerkennung und Respekt.

Unser Projekt besteht nun aus der erstmaligen Anwendung dieser Ästhetik im Bereich des Theaters. Hierfür sollen Bühne, Kostüme, Licht, Gänge und Figurenanlagen der Inszenierungsvorlage detailgenau kopiert werden. Im Theater, das sich oft verdeckt und verschämt künstlerische Arbeiten anderer aneignet, soll dieser Vorgang evident und absichtlich passieren. Die Probenarbeiten sollen in der täglichen Abnahme der Videoaufzeichnung  der Inszenierung  erfolgen, jegliche gewollte Individualisierung soll vermieden werden, dieser Vorgang ist in etwa mit dem "Einspringen" bei Ausfällen von einzelnen Schauspielern zu vergleichen.

Das Shanzhai-Institut ist ein Kollektiv professioneller  Theatermacher und bildender Künstler. Wir wissen  nicht, wie dieses Experiment ausgehen könnte, der Verzicht auf neoliberale Formatprofilierung verspricht jedoch zumindest so etwas wie Risiko und Freiheit, oder um Čechovs Kostja zu zitieren: "Formen, wir brauchen neue Formen…"


Shanzhai Institut, November 2010